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„Das Wohl der Menschen zum Zentrum der politischen Entscheidungen machen“

Bericht des Diözesanratsvorsitzenden Norbert Baumann bei der Herbstvollversammlung des Diözesanrats der Katholiken im Bistum Würzburg am Freitag, 30. September 2005

In seinem Minderheitenvotum zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Auflösung des Deutschen Bundestages in diesem Jahr hat ein Verfassungsrichter geradezu prophetisch auf die Gefahr der Destabilisierung der politischen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland im Falle vorzeitiger Neuwahlen hingewiesen. Das Ergebnis der Bundestagswahl am 18. September hat die Bildung einer stabilen Regierung nicht einfach gemacht. Das Wahlergebnis hat der bisherigen Regierung keine Mehrheit gebracht. Gleichzeitig hat die bisherige Opposition nicht genügend Zustimmung erhalten, um ihrerseits die Regierung übernehmen zu können. Dies ist die Ausgangslage in einem Land, das vor vielen ungelösten Problemen steht.

Nahezu fünf Millionen Menschen sind ohne Arbeit. Dringend erforderlich sind eine Neugestaltung der Rahmenbedingungen für die Wirtschaft, des Steuersystems, des Arbeitsmarktes und der sozialen Sicherungssysteme. Letztere müssen so geändert werden, dass sie eine nachhaltige Sicherheit gewährleisten und die Menschen ihnen wieder vertrauen können. Es gilt, die Solidarität mit den Schwachen zu gewährleisten und zugleich Eigenverantwortung und Eigeninitiative zu fordern und zu fördern.

Die demographische Entwicklung in unserem Land ist besorgniserregend. Gleichwohl werden daraus keine Konsequenzen gezogen. Erforderlich ist ein Umdenken der Gesellschaft, in dem die Freude an Kindern und der Mut zur Zukunft mit Kindern breiten Raum einnehmen. Auch hierbei ist die Schaffung veränderter Rahmenbedingungen unumgänglich. Die Familie, die nach dem Grundgesetz unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung steht, muss die notwendige Rücksicht der Gesellschaft auch tatsächlich erfahren. Schutz und Förderung der Familie müssen deshalb zentrale Anliegen der Politik sein.

Uns allen ist bekannt, dass wir seit langem auf Kosten der kommenden Generationen leben. Dies ist eine Ungerechtigkeit, die nicht fortgesetzt werden darf. Entsprechende Änderungen sind beim Umgang mit natürlichen Ressourcen und beim Abbau der Staatsverschuldung erforderlich.

Der Schutz der Würde des Menschen wird zunehmend gefährdet. Dies gilt insbesondere im Bereich der Gentechnik und Biomedizin und beim Schutz des menschlichen Lebens von seinem Beginn bis zu seinem Ende.

Die Aufzählung dieser Probleme ist keine vollständige Darstellung der Schwierigkeiten, vor deren Bewältigung die Bundesrepublik Deutschland steht. Sie zeigt aber, dass stabile Regierungsverhältnisse angesichts des Umfangs und des Gewichts der zu treffenden Entscheidungen unerlässlich sind.

„Vertrauen wird die Politik nur gewinnen können, wenn sie von Fairness und gegenseitigem Respekt von Wahrhaftigkeit und Ernsthaftigkeit geprägt und dem Gemeinwohl verpflichtet ist. Unser Land braucht Politikerinnen und Politiker, die bei der Gestaltung der Politik über den Tag hinaus denken, die mutig Führungsverantwortung übernehmen und die sich an den Grundwerten orientieren, die dem Menschenbild unserer Verfassung entsprechen, das in vielem dem christlichen Glauben verpflichtet ist.“ Diese letzten beiden Sätze haben die deutschen Bischöfe in ihrem Aufruf zur Bundestagswahl am 22. August formuliert. Diese Sätze sind zeitlos gültig. Sie haben eine besondere Bedeutung in diesen Tagen der Suche nach einer stabilen Regierungskoalition. Jetzt sind Politiker erforderlich, die Mut haben und nicht den Übermut zu glauben, sie alleine könnten das Land regieren. Gefragt ist der Mut, Verantwortung zu tragen und Macht loslassen zu können. Es ist demokratische Standfestigkeit erforderlich, die es nicht zulässt, dass extreme Richtungen durch Duldung oder aktive Teilnahme Einfluss auf die Politik gewinnen. Ich appelliere an alle demokratischen Politikerinnen und Politiker im Deutschen Bundestag, das Wohl der Menschen nicht nur verbal in den Mittelpunkt zu stellen, sondern es tatsächlich zum Zentrum ihrer politischen Entscheidungen zu machen.

Auch in den nächsten Jahren will die EU-Kommission bei der Förderung der Embryonenforschung an den bestehenden Regeln festhalten. Diese Regeln haben nach EU-Angaben bereits dazu geführt, dass vier Projekte gefördert wurden, in denen Versuche mit embryonalen Stammzellen mit einbezogen waren. Damit wird zweierlei deutlich: zum einen hat die EU bereits Projekte gefördert, in denen menschliches Leben zu Forschungszwecken vernichtet wurde, und zum anderen beabsichtigt die EU weitere Projekte dieser Art zu fördern. Dies ist für mich ein unerträglicher und durch nichts zu rechtfertigender Eingriff in den Schutz des menschlichen Lebens. Die Pflicht zum Schutz des menschlichen Lebens ist nicht frei verfügbare Entscheidungsmaterie des Menschen, sondern sie beruht darauf – dies ist jedenfalls unsere unveränderbare Überzeugung –, dass jeder Mensch von Gott als dessen Ebenbild geschaffen wurde und deshalb mit unveräußerlicher Würde ausgestattet ist. Gegen diese Überzeugung verstößt die genannte Förderungsabsicht der EU-Kommission. Diese Absicht ist unakzeptabel und deren Umsetzung begegnet unserem Widerstand.

Der XX. Weltjugendtag, der vom 16. bis 21. August in Köln stattfand, war ohne Zweifel ein großes geistliches Ereignis und ein Fest des Glaubens. Er vermittelte unzählig vielen Menschen die Erfahrung der weltweiten Gemeinschaft der jugendlichen Kirche. Auch in unserem Bistum war die Wirkung des Weltjugendtages zu spüren. Viele halfen bei Vorbereitung und Durchführung des Weltjugendtages. Es gab einen beeindruckenden Pilgerweg des Weltjugendtagskreuzes und der Marienikone, Tage der Begegnung mit vielen Gästen aus aller Welt und vieles andere mehr. An dieser Stelle möchte ich insbesondere dem BDKJ mit seinen Mitgliedsverbänden, den Pfarrern und Pfarrgemeinderäten in den verschiedenen Pfarreien und ihren zahlreichen Helfern vor Ort danken. Ohne deren Engagement wäre dies alles so nicht möglich gewesen. Allerdings sollte der Weltjugendtag uns weitere Perspektiven ermöglichen. Um dies auszuloten, beschäftigen wir uns im Rahmen dieser Herbst-Vollversammlung noch einmal mit dem Weltjugendtag. Ich habe die Erwartung, dass sich auch aus dieser Beschäftigung für uns Aufgaben und Perspektiven ergeben, die zukunftsweisend sind.

Bei der Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz vom 19. bis 22. September wurde der Vorsitzende dieser Konferenz Kardinal Lehmann für weitere sechs Jahre in diesem Amt bestätigt. Damit haben Spekulationen über dieses Vorsitzendenamt glücklicherweise ein Ende gefunden. Ich habe Kardinal Lehmann meine herzlichen Glückwünsche zur Wiederwahl zukommen lassen. Wir alle wünschen ihm für die nächste Amtszeit Gottes reichen Segen.

Im Rahmen dieser Vollversammlung hat Kardinal Lehmann das Eröffnungsreferat mit dem Titel „Neue Zeichen der Zeit. Unterscheidungskriterien zur Diagnose der Situation der Kirche in der Gesellschaft und zum kirchlichen Handeln heute“ gehalten. Ich halte dieses Referat für so wichtig, dass ich es heute in den Mittelpunkt meines Berichtes stelle. Ich hoffe inständig, dass dieses Referat möglichst weite Verbreitung findet und uns noch lange beschäftigen wird. Die Bedeutung dieses Referates kann deswegen nicht hoch genug eingeschätzt werden, weil es den Begriff „Zeichen der Zeit“, weiterführend interpretiert und daraus neben einer Umschreibung der Lage der Kirche zwischen Wandel und Beständigkeit und in einer Zeit des Übergangs zehn Thesen darlegt, die Aufgaben für die Zukunft benennen.

Diese zehn Thesen lauten:

Es gilt, die Situation zu erkennen.

Die pluralistische Grundsituation ist mit dem Mut zum eigenen Standort anzuerkennen.

Wir brauchen den Mut und eine Strategie zur geistigen Offensive.

Wir brauchen den Mut, das Evangelium Jesu Christi als konkrete Alternative zu leben und anzubieten.

Wir brauchen den Mut zum persönlichen Zeugnis.

Die ökumenischen Gemeinsamkeiten müssen vertieft werden.

Es geht um ein neues Miteinander aller katholischen Christen.

Zuerst muss die Leidenschaft für Gott stehen.

Dazu gehört die innige Vertrautheit mit dem Evangelium.

Die Kirche muss sich auf Gott und den selbstlosen Dienst am Menschen hin überschreiten.

Ich möchte nun einen ersten Versuch unternehmen, Anmerkungen zu machen, die meiner Meinung nach aus den Thesen sich ergebende Handlungsnotwendigkeiten für Laien andeuten können. Den Anspruch auf Vollständigkeit erhebe ich ausdrücklich nicht, sondern bin mir bewusst, dass weiteres Nachdenken und Erörtern erforderlich ist.

Zur These 1 „Es gilt, die Situation zu erkennen.“

Wir leben in einer Zeit, die von der Oberflächlichkeit einer Eventsüchtigkeit geprägt ist. Parolen ersetzen häufig präzise Analyse und verführen leicht zu Fehlverhalten. Erforderlich ist das Erfassen der konkreten geschichtlichen und gesellschaftlichen Situation. Diese ist mit Hilfe – auch sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse – konkret zu erfassen. Nicht erforderlich ist eine langatmige und lähmende Erörterung dieser Erkenntnisse, sondern ein Vorhandensein dieser klaren Analyse. Nur dann, wenn wir eine Situation vollständig erfasst haben, haben wir einen besseren Blick für die Nöte der Zeit und eröffnen dem Glauben größere Chancen. Unser Reden und Handeln wird überzeugender und treffsicherer. Dies ist Gegenstand der Qualität, die ich immer wieder von uns allen einfordere.

Zur These 2 „Die pluralistische Grundsituation ist mit dem Mut zum eigenen Standort anzuerkennen.“

Für uns ist heute gesellschaftlicher Pluralismus eine selbstverständliche Gegebenheit und eine Aufgabe. Er hat uns in den Fragen der Toleranz, der Dialogbereitschaft und der Argumentationsfähigkeit wohl auch ein Stück weitergebracht. Zugleich ist aber auch zu beobachten dass viele von uns sich scheuen, unser christliches Bekenntnis in einer pluralistischen Gesellschaft deutlich werden zu lassen. Christliches Zeugnis meint nicht „absolutistisches und fundamentalistisches Gehabe“, eben sowenig wie „Anpassung und blinde Gefolgschaft im Blick auf den Geist der Zeit“. Wenn wir beiden Gefahren begegnen und zugleich unseren Auftrag zum Zeugnis ernst nehmen wollen, müssen wir den Mut zum eigenen Standort, der unverwechselbares Profil hat, entwickeln. Wir müssen uns trauen, christlichen Standpunkt einzunehmen und diesen bekennen. Es gibt keine Veranlassung, als Christ Minderwertigkeitsbewußtsein zu haben und deshalb jedem Trend hinterher zu laufen. Unser Glaube gibt uns Vertrauen und unser Vertrauen gibt uns Sicherheit, mit der wir auch andere begeistern können.

Zur These 3 „Wir brauchen den Mut und eine Strategie zur geistigen Offensive.“

Zu Recht bringen wir der Demokratie, ihrer freien Ordnung und der bürgerlichen Welt insgesamt höchste Anerkennung entgegen. Dies kann und darf uns allerdings auch nicht hindern, deren innere Schwächen und Gefährdungen in aller Bescheidenheit wahrzunehmen. Kirche ist Teil dieser Gesellschaft und deshalb auch dazu verpflichtet, an deren Gestaltung und Verbesserung mitzuwirken. Kirche darf sich dabei auch nicht vor unangenehmen Aufgaben drücken, um vielleicht besser da zu stehen. Sie darf aber auch nicht zu Missständen schweigen. Unsere echte Sorge in Blick auf das Schicksal der Menschen und unsere Solidarität mit den Mitmenschen sind Maßstäbe, die unser Handeln zu leiten haben. Kirche von heute muss in unserer Welt gegenwärtig sein und dies ist besondere Aufgabe der Laien. Einer Überdehnung der Freiheit, einem Abbau von notwendigen Verbindlichkeiten und einer Ermüdung von Institutionen ist entgegenzuwirken. Wichtig ist, dass wir uns nicht verstecken, sondern in einer pluralen Welt in den geistigen Wettbewerb offensiv, aber nicht aggressiv eintreten. Es gibt keinen Anlass zur Verzagtheit. Es gilt jedoch auch zu vermeiden, lediglich große Ansprüche zu stellen.

Zur These 4 „Wir brauchen den Mut, das Evangelium Jesu Christi als konkrete Alternative zu leben und anzubieten.“

Oft bejammern wir das Elend dieser Welt und beklagen uns über Missstände. Diese Haltung des Jammerns und Klagens führt nicht weiter. Stattdessen sollten wir im Bewusstsein, dass jede Zeit und jeder Ort zu einer Chance des Heils werden kann, den Mut haben, die ganze Wahrheit des Evangeliums zu bekunden. Der Kern unserer christlichen Zuversicht ist schließlich das neue Leben aus der Auferstehung Jesu Christi. Mit dieser Hoffnung, die über das irdische Leben hinausgeht, bieten wir eine Alternative des Glaubens, die eine Einladung an alle ist. Sie setzt Einsicht und Verantwortung, Nachdenken und Umkehr voraus, bietet zugleich aber die Freude einer unendlichen Perspektive.

Zur These 5 „Wir brauchen den Mut zum persönlichen Zeugnis.“

Gerade auch die plurale Welt, in der wir leben, braucht unser Bekenntnis, unseren gelegentlichen Widerstand und Widerspruch, wenn sie nicht verarmen und pervertieren soll. Unser Zeugnis ist notwendig, auch für diese Welt. Dabei dürfen wir nicht allein dem Amt und den Institutionen vertrauen. Hier ist jeder von uns ganz persönlich gefordert entsprechend der Feststellung von Kardinal Lehmann: „Der künftige Christ wird ein Zeuge sein, oder er wird bald nicht mehr sein.“ Erst durch unser Zeugnis gerade in den Räumen, die das Amt nicht erreichen kann, verwirklichen wir die Mündigkeit des Christen und das gemeinsame Priestertum. Ob wir dieser Anforderung gerecht werden, ist der Prüfungsmaßstab, nach dem wir gerichtet werden.

Zur These 6 „Die ökumenischen Gemeinsamkeiten müssen vertieft werden.“

Dankbar bin ich Kardinal Lehmann dafür, dass er unter anderem feststellt: „Die Ökumene ist auch im 21. Jh. ein Geschenk des Geistes.“ Zugleich meine ich, dass Ökumene für uns alle eine stete Herausforderung und Aufgabe ist, wobei ökumenische Neigung alleine zu wenig ist. Voraussetzung einer richtigen ökumenischen Haltung ist, dass wir noch tiefer im Glauben verwurzelt sind und näher bei Christus bleiben. Dann haben wir die Möglichkeit, im Dialog und gegebenenfalls auch in einer Auseinandersetzung mit unseren ökumenischen Partnern an der Stärke des anderen zu wachsen und eine Einigung auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner als nicht ausreichend zu betrachten. Eigener Standpunkt und Zusammenwachsen sind nicht Gegensätze, sondern gegenseitige Notwendigkeit im Bereich der Ökumene.

Zu These 7 „Es geht um ein neues Miteinander aller katholischen Christen.“

Das zweite Vatikanische Konzil hat uns eine „gute neue Konstellation von Laien, Ordensangehörigen und allen Diensten und Ämtern der Kirche, Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen“ geschenkt. Dieses Geschenk gilt es sorgsam zu wahren. Dabei müssen wir im Blick haben, dass kein Kirchenmitglied „Macher“ der Kirche ist, dass wir auch alle zusammen nicht Kirche „machen“. Die Kirche hat sakramentale Strukturen. Die Sakramente sind für uns unverzichtbar und unauswechselbar. In diesem Bewusstsein sind auch wir Laien verpflichtet, uns nicht vom gemeinsamen Leben der Gesamtkirche zu entfernen. Diese Verpflichtung engt unsere Eigenständigkeit nicht ein, sondern bereichert sie um das Gut der Gemeinschaft.

Zu These 8 „Zuerst muss die Leidenschaft für Gott stehen.“

Oft sind wir in der Gefahr, tausend Dinge gleichzeitig erledigen zu wollen. Wir werden nicht daran gemessen, wieweit uns dieser untaugliche Versuch gelungen ist und wie schnell wir an ihm zerbrochen sind. Entscheidend wird sein, ob wir alle Hoffnung auf Gott setzen. Nur so kann unser Leben gelingen. Der Versuch „Gott zu verwalten“ ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Setzen wir alle Hoffnung auf Gott, so wird dies in Gesprächen mit anderen Menschen deutlich und das Wesen unseres Glaubens wird für diese sichtbar. Diese Haltung bewahrt uns auch davor, den Götzen des Materialismus zu erliegen und so unsere Freiheit zu gefährden. Es bleibt unsere stete Aufgabe, Gott in den Mittelpunkt unseres Denkens und Handelns zu stellen.

Zu These 9 „Dazu gehört die innige Vertrautheit mit dem Evangelium.“

Wesentlicher Bestandteil der Verkündigung des Evangeliums ist das Zeugnis der Liebe zum Nächsten. Konstitutives Element der Verkündigung des Evangeliums ist die Suche nach Gerechtigkeit. Gerechtigkeit und Barmherzigkeit sind nicht trennbare Gründe der Frohbotschaft. Gleichwohl ist Kirche nicht vorwiegend nach ihrer sozialen Nützlichkeit zu beurteilen. Diese ist wichtige und notwendige Folge der Frohbotschaft. Vorrangige Aufgabe ist jedoch, dass die Kirche Botin des Evangeliums und wirksames Zeichen des Heils ist. Entscheidend für uns ist, uns sozial nützlich zu verhalten, aber zugleich Glaubenszeugen zu sein. Eine sozial nützliche Einrichtung, die dieses Zeugnis nicht gibt, verfehlt ihre christliche Aufgabe.

Zu These 10 „Die Kirche muss sich auf Gott und den selbstlosen Dienst am Menschen hin überschreiten.“

Nicht nur die Kirche in ihrer Gesamtheit, sondern jeder von uns ist gesendet worden und hat die Möglichkeit durch diese Sendung über sich hinauszugehen. Wir alle sind ausgerichtet auf unseren „Ursprung im dreifaltigen Gott und zugleich hingegeben an einen wirklich selbstlosen Dienst für die Menschen“. Deshalb haben wir unseren Blick zu richten insbesondere auf die Menschen, deren Not – welcher Art auch immer – wir kennen. Wenn wir diesen Dienst vernachlässigen, kreisen wir nur noch um uns selbst und verraten uns selbst. Nur dann, wenn wir diese Aufgabe ernst nehmen, können wir uns selbst finden. Dies ist der eigentliche Grund für all unser Engagement und sollte uns weiter antreiben.

In der letzten Zeit sind Irritationen dahingehend aufgetreten, ob und inwieweit Rätesatzungen in Bayern geändert werden sollen. Insbesondere ist auch diskutiert worden, inwieweit die Räte selbst an diesen Änderungen beteiligt werden müssen.

Davon, dass ich unserem Bischof, seinem Vorgänger und unserem Generalvikar für die gute Zusammenarbeit und den Dialog mit dem Diözesanrat danke, lasse ich mich von niemandem – gleichgültig in welchem Amt er noch ist – mit der Bemerkung abhalten, es handle sich möglicherweise um einen „Versuch, die Bischöfe gegeneinander auszuspielen“. Dieser Dank ist ohne jeglichen Hintergedanken und völlig ehrlich gemeint. Er entspricht den Gegebenheiten in diesem Bistum. Wir hatten und haben in unserem Bistum keine Auseinandersetzung mit dem Bischof. Dies gilt auch in Satzungsfragen. Sämtliche Satzungen wurden nach Inkrafttreten des CIC im Jahre 1983 geschaffen, überprüft und vom amtierenden Ortsbischof genehmigt. Sie stehen nicht im Gegensatz zum Universalkirchenrecht. Sie sind partikularrechtlicher Natur und eine Ergänzung und Bereicherung des Universalkirchenrechts. Notwendige Änderungen der partikularen Rechtslage, wie sie jetzt im Zusammenhang insbesondere in Pfarreiengemeinschaften erkennbar wurden, konnten im Einvernehmen zwischen Bischof und Diözesanrat durch die Schaffung von Einzelgenehmigungen vorbereitet werden. Ich bin unserem Bischof dankbar auch dafür, dass er für den Fall der Notwendigkeit von Satzungsänderungen angekündigt hat, dies werde „auf jeden Fall im Dialog geschehen“.

Wir Laien haben höchste Achtung vor dem Lehramt und zollen ihm vollsten Respekt. Zugleich wissen wir aber auch um die Richtigkeit folgender Sätze zum Verhältnis von Laien und Priestern in welcher Amtsstellung auch immer: „Der Priester ist durch seine Beziehung zu den Laien definiert. Er ist dafür da, ihnen zu dienen. Aber der Laie ist nicht durch seine Beziehung zum Priester definiert, sondern er lebt in einem viel weiteren Geflecht von Beziehungen. Ein Laie ist ein getaufter Christenmensch, der aktiv sein Christentum in die Hand nimmt, es lebt und in seinem spezifischen Beruf in der Welt, in der er steht als Christ, wirksam vollzieht.“ Wir Laien wissen, dass diese Sätze nicht verkehrt verstanden werden dürfen und etwa daraus Forderungen abgeleitet werden können. Wir verstehen diese Sätze als Forderung zu eigenem Handeln. Diese Sätze stammen übrigens aus einem Interview, das unser Papst Benedikt XVI. 1988 gab.

Abschließend bleibt festzuhalten: das Einvernehmen zwischen unseren Räten und unserem Bischof ist ein hohes Gut, das wir auch in der Zukunft bewahren wollen.

(4005/1247)