Würzburg (POW) Über die Grenzen und Möglichkeiten der Medizin für schwerkranke Menschen und die Aufgaben der Palliativstation des Würzburger Juliusspitals haben Dr. Rainer Schäfer, Leiter der Palliativabteilung, und Pfarrer Bernhard Stühler, Seelsorger im Juliusspital, bei der Fastenpredigt am Mittwochabend, 6. März, im Würzburger Kiliansdom gesprochen.
Die Frage, ob ein schwerkranker Mensch seinen Weg unabhängig der Meinung von Medizinern und Angehörigen bestimmen kann und sollte, versuchte Schäfer zu beantworten. Er schilderte den Fall einer 40-Jährigen, die über Jahre hinweg an einem sich immer weiter ausbreitenden Krebsgeschwür leiden musste. Schließlich entschied sie sich gegen die Ratschläge ihres Ehemanns und behandelnder Ärzte für die Aufnahme in die Palliativstation des Juliusspitals. Schäfer erklärte, dass die Selbstbestimmung des Menschen eine Grundverfasstheit ist. Diese Autonomie sei das Fundament menschlicher Freiheit und darauf beruhe ein wesentlicher Teil der Würde des Menschseins. Für Kranke müsse deshalb die Möglichkeit erhalten bleiben, über sich nachzudenken und den eigenen Willen auch entsprechend zu äußern. Für die behandelnden Kräfte sei es außerdem wichtig, möglichst früh in einen intensiven Kontakt mit den Erkrankten zu treten und deren Wünsche und Wertvorstellungen zu erfahren. Zuwendung, kompetente medizinische und pflegerische Hilfe sowie die Überbrückung des Abgrunds zwischen Würde und Unwürde, zwischen Lebenswunsch und Todessehnsucht seien so zentrale Anliegen der Palliativmedizin.
Aus der Sicht eines Seelsorgers antwortete Pfarrer Stühler auf die Frage, ob ein von Gott geschenktes Leben selbst beendet beziehungsweise die Grenzen selbstbestimmt gezogen werden dürften. Gott gebe dem Menschen zum einen seine Selbstbestimmung, gleichzeitig erinnere dieser mitgehende Gott daran, dass er ein „Freund des Lebens“ sei. Aufgabe der Erkrankten sei es, ein annehmendes Ja zu sagen: „Damit ist nicht das Kapitulieren gemeint. Ja sagen bedeutet, das von Gott gegebene Leben anzunehmen und die Augen zu öffnen.“ Habe ein Kranker seine Mitte gefunden, gebe es trotzdem noch die Beeinflussung durch andere, besonders durch Familienangehörige. Auch Schäfer betonte das Problem: „Nicht immer stimmten die Wertvorstellungen der Angehörigen mit denen des Patienten überein.“ Das was sie wollten, seien nicht unbedingt die Wünsche des Betroffenen, sondern vielmehr ihre eigenen. Das Personal der Palliativstation brauche eine Portion Mut, Kompetenz und auch Einfühlungsvermögen, um mit Forderungen der Angehörigen – etwa auch nach der „erlösenden Spritze“ – fertig zu werden.
Dabei hilft auch die seelsorgerliche Begleitung. Ihr wird laut Stühler auf der Palliativstation ein hoher Stellenwert beigemessen. „Dort, wo ich vom Patienten als Seelsorger und Gesprächspartner zugelassen werde, entwickeln sich mit dem Kranken und den Angehörigen Wege der Hilfe“, erklärte der Pfarrer. Seelsorger und Angehörige sollen den Patienten inspirieren, sein Leiden aus einer neuen Perspektive zu sehen. Selbst wenn jemand sehr krank sei, dürfe er sich auf eine Entdeckungsreise begeben, die ihm den Wert des Lebens vermittle. „Einer trage des anderen Last: Dieser Gedanke begleitet mich, wenn ich immer wieder zu einem Kranken in Beziehung komme“, sagte Stühler.
Dies sei ein wichtiger und elementarer Satz, der aber auch zum Missverständnis auf Seiten der Mediziner und des Pflegepersonals führen könne nach dem Motto „Dass sie jetzt Grenzen festlegen wollen?“ betonte Schäfer. Dem Patienten und seinen Angehörigen müsse deshalb vermittelt werden, dass es eine Reihe von Medikamenten gebe, die Schmerzen und andere Symptome wegnehmen oder mildern könnten; auch dass es für ihn eine verständnisvolle Pflege gebe und er nicht zum „Spielball einer seelenlosen, hochtechnisierten Medizin“ degradiert werde. Stühler antwortete darauf, dass die Gesunden, welche die Grenzen des Lebens bestimmen möchten, die Frage nach der Würde des Kranken stellen, aber bei diesem Denken ihre Aufmerksamkeit ganz auf den Verfall des Körpers des Patienten richten. Die Würde des Menschen komme jedoch nicht nur aus der Integrität seiner Körpers, sondern ist seine Liebe, seine Freude am Leben: „Daher schulden wir einander das Leben, das wir erhalten wollen, dem wir nicht ausweichen, auch wenn unsere Kräfte begrenzt sind.“
Die Klasse 5a der Maria-Ward-Realschule führte während der Fastenpredigt einen Lichtertanz auf. Die musikalische Gestaltung übernahmen der Chor des Juliusspitals, der sich aus Ärzten und Pflegepersonal zusammensetzt, und Elmar Meckel an der Domorgel.
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