Würzburg/Schmerlenbach (POW) Im November hat Stefan-Bernhard Eirich (39) sein Amt als Geistlicher Beirat der christlichen Friedensbewegung Pax Christi, Sektion Würzburg, angetreten. In einem Gespräch mit dem POW äußert sich der Geistliche zum Irak-Konflikt und der Bedrohung seitens der islamisch-arabischen Staaten. Eirich, der Toleranztrainings gibt, plädiert für Gewaltprävention.
POW: Sie sind seit kurzem Geistlicher Beirat von Pax Christi in der Diözese Würzburg. Was hat sie geprägt, dass sie sich dieser Aufgabe stellen wollten?
Eirich: In erster Linie meine wissenschaftliche Arbeit. Ich habe bereits meine beiden Studienabschlussarbeiten über die Kirche und ihre Verflechtung in die Kriegsmaschinerie geschrieben. In meinem Fall ging es um den Ersten Weltkrieg. Da wollte ich am Ball bleiben. Gegenwärtig schreibe ich an einer Dissertation über katholische Militarismuskritik in der Bismarckzeit. Das hört sich zunächst sehr speziell an, birgt allerdings eine ganze Reihe sehr zeitlose Aspekte. Es geht um die Stellung der Kirche zu vermeintlich vernünftigen Rüstungsprojekten in Preußen und damit ihren Widerstand gegen die zunehmende Militarisierung der Gesellschaft. Zudem bin ich dreieinhalb Jahre an der deutsch-deutschen Grenze aufgewachsen. Diese Bilder haben mich sehr geprägt und mitbestimmt, jetzt in der Weise bei Pax Christi zu arbeiten.
POW: Wie sind Sie zu Pax Christi gekommen?
Eirich: Meinen Amtsvorgänger Dr. Michael Rosenberger kenne ich aus der gemeinsamen Studienzeit in Rom. Er weiß um meine Arbeit im pazifistischen Bereich. Er hat mich auch schon erlebt bei Vortragsveranstaltungen zum Thema „Gerechter Krieg?“ am Untermain. Aus seiner Sicht lag es nah, mich anzusprechen.
POW: Welche Aufgaben warten auf Sie?
Eirich: Vieles ergibt sich aus dem Lauf der Dinge. Hauptsächlich geht es darum, den theologischen Aspekt der Gegenwartsfragen in Zusammenhang mit Frieden und Gewaltverzicht einzubringen. Das ist gewissermaßen qua Amt. Aber es liegt jeweils am Einzelnen, wie er seine Aufgaben profiliert. Neben meinem Engagement bei Pax Christi bin ich noch Geistlicher Leiter des Bildungshauses Schmerlenbach. Ich versuche in meiner Arbeit an der Schnittstelle von Liturgie, Literatur, aber auch Kino und vor allem der Musik meine Schwerpunkte zu setzen. Ich verstehe die Aufgabe vor allem als präventive Bewusstseinsbildung in Sachen Gewaltverhütung.
POW: Was packen Sie als erstes an?
Eirich: Zunächst einmal hoffe ich, dass ich nicht als erstes die Auseinandersetzung mit dem drohenden Krieg im Irak angehen muss. Angepackt habe ich bereits in meinem Bereich als Geistlicher Leiter eines Bildungshauses über das Medium des Literaturkonzerts, so Anfang Dezember zum Thema Menschenrechte in Margetshöchheim. Angesichts des überaus guten Anklangs, den es gefunden hat, scheinen wir auf einem ganz guten Weg zu sein. Eine gute Sache wäre auch ein Preis für Zivilcourage, gestiftet vom Bildungshaus Schmerlenbach. Dafür werde ich Sponsoren suchen und hoffe, in spätestens zwei Jahren die ersten Preisträger auszeichnen zu können.
POW: Papst Johannes Paul II. ist wie sein Vorgänger ein absoluter Friedensfan. Einige Stimmen innerhalb der katholischen Kirchen sind da skeptischer. Welche Rolle nimmt Pax Christi bei dieser innerkirchlichen Meinungsdifferenz ein?
Eirich: Was das betrifft, ist Pax Christi gewissermaßen noch päpstlicher als der Papst. Wir denunzieren Gewalt, auch wenn sie vermeintlich zur Verteidigung benutzt wird. Entsprechend lang und kompromisslos vertreten wir die Friedensoption. Allerdings geht es hier nicht nur darum, Gewalt anzuzeigen, sondern auch präventiv tätig zu sein. Da sehe ich eine Aufgabe für mich.
POW: Was sagen sie zu kirchlichen Vertretern wie Kardinal Lehmann, der bisweilen Verständnis für Verteidigungsgewalt zeigt?
Eirich: Lehmann argumentiert in jedem Fall auf der Basis des letzten Hirtenbriefs zum Thema „Gerechter Friede“. Auch verteidigende Gewalt wird dort als solche benannt. Sicher, seitens des Papstes ist diese Position noch pointierter. Ich würde sagen, dass Lehmann in keinem Fall auch einen Verteidigungskrieg für gerecht halten würde. Für die katholische Friedensethik gibt es, das ist common sense, seit dem Desaster des Ersten Weltkrieges einen „gerechten Krieg“ genauso wenig wie ein hölzernes Eisen.
POW: Aktuelles Beispiel: der schwelende Irak-Konflikt. Wo sehen sie aus Sicht einer Friedensbewegung Lösungsstrategien?
Eirich: Da wir keinen vollen Einblick haben, können wir nur aus eingeschränkter Sicht darüber sprechen. Lösungsstrategie bedeutet in diesem Fall, angewandte Gewalt möglichst früh als solche zu enttarnen, und damit in die Öffentlichkeit zu gehen. Das ist meines Erachtens schon jetzt angesagt, wo der irakische Rüstungsbericht von den USA und Großbritannien in eine gewisse Richtung gelenkt werden soll. Hier eine Bewusstseinsbildung rechtzeitig zumindest zu unterstützen, das wäre etwas, was Pax Christi leisten kann. Das werden wir auch tun, indem wir, wenn es sein muss, auf die Straße gehen. Wir sind im Würzburger Friedensbündnis und werden uns natürlich an allen Aktionen beteiligen, soweit sie vertretbar sind, und nicht selber zur gewissen Gewalttätigkeit neigen. Das ist keine Frage. In jedem Fall treten wir zusammen, sobald das Szenario noch bedrohlicher wird.
POW: Pax Christi plädierte in einer Veröffentlichung zum Jahrestag der Anschläge auf Amerika zu „angemessenen zivilen Maßnahmen im Kampf gegen Terror und ruft zum Dialog mit den islamisch arabischen Staaten auf.“ Wie kann dieser Dialog aussehen, wenn faktisch massive Bedrohungen aus dieser Richtung kommen?
Eirich: Was ist denn unter Bedrohung überhaupt zu verstehen? Mit Bedrohung darf doch nicht nur das im Westen weitverbreitete Gefühl des Bedrohtseins gemeint sein. Viel mehr ist das politische und wirtschaftliche Ungleichgewicht zwischen westlicher und arabischer Welt bedrohlich. An dieser Bedrohung ist sofort zu arbeiten. Der jetzt beschrittene Weg ist auf keinen Fall der richtige. Er ist zu einseitig, weil er nicht an den Ursachen selbst wirkt. Von christlicher Seite geschieht einiges. Andererseits muss soweit wie möglich auf lokaler Ebene gewirkt werden. Pax Christi betätigt sich hier im Dialog der Religionen. Das war schon vor dem 11. September so, bevor es schick wurde, sich beispielsweise mit dem Thema Muslime in Deutschland zu beschäftigen.
POW: Gibt es Momente, in denen eine Friedensbewegung an die Grenzen ihrer Toleranz kommt?
Eirich: Hier ist zu unterscheiden, zwischen der Friedensbewegung als solcher und den Menschen, die in dieser Bewegung aktiv sind. Die Grenze ist dort erreicht, wo das Gewaltpotential der Gegenseite nicht mehr zu ertragen ist und man dann in Denkstrukturen hineinkommt, die versuchen, entsprechende Gegengewalt zu rechtfertigen. Nur muss klar bleiben, es handelt sich auch hier um Gewalt. Selbst Gewalt zur Verteidigung ist nun einmal Gewalt. Grundziel einer christlich geprägten Friedensbewegung ist langfristig das Durchbrechen dieses Teufelskreises von Gewalt und Gegengewalt.
POW: Wie sehen präventive Maßnahmen zur Gewaltvermeidung aus?
Eirich: Ich betone im Rahmen meiner Exerzitienarbeit und einer biographieorientierten geistlichen Begleitung sehr stark den Toleranzgedanken. Es geht hier darum, verdeckte und offene Feindbilder näher anzuschauen und alternative Lebensstrategien zu entwickeln. Toleranz lässt sich einüben. Als Erwachsenenbildner versuche ich auf das Programm „meines“ Bildungshauses Einfluss zu nehmen, um dem Thema Konfliktbewältigung einen Raum zu bieten. Und schließlich ist die Versöhnung ein wichtiger Akzent in der Gestaltung meiner Gottesdienste.
POW: Die Botschaft des Geistlichen Beirats von Pax Christi zum Weltfriedenstag?
Eirich: Die Welt lässt sich nicht einfach in Gute und Böse einteilen. Gegenwärtig wird dies im zweiten Teil des Kinofilms „Herr der Ringe“ so suggeriert. Ich denke, diese Versuchung ist derzeit ungeheuer groß. Richtig ist, zunächst die eigene Veranlagung und Bereitschaft zur Gewalt zu sehen und sich als eine Art Mischwesen zwischen vermeintlich Guten und vermeintlich Bösen wahrzunehmen. Noch ein zweites: Wer das bei sich selbst sieht, wird wohl auch in seiner Umgebung Gewalt gezielter und treffsicherer als solche benennen und erkennen können und in der Lage sein, etwas zu ihrer Verringerung zu tun. Hieran zu arbeiten, bleibt das wichtigste Ziel für mich.
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