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Zur Freude berufen

Fuchsstadt (POW) Es muss wohl an der Luft im Saaletal liegen. „Wenn mir vor meiner Fuchsstädter Zeit jemand gesagt hätte, dass ich mal ein Faschingsaktivist wäre, ich hätte ihn laut ausgelacht“, sagt Pfarrer Erich Sauer. Heute ist der 42-jährige Geistliche ein gestandener Aktiver des „Fuschter Faschingsclub“ (FFC) mit inzwischen zehn Jahren Bühnenerfahrung. „Einfach toll, wenn man das Engagement der Clubmitglieder erlebt. Da macht es einfach Spaß mitzumachen und zu erleben, wie der Funke überspringt.“
 
Bei Sauer hat er kein Strohfeuer entfacht, als er 1994 zum ersten Mal auf die Bühne stieg. Für die Tanznummer „Spanische Hofreitschule“ des Männerballetts wurde damals kurzfristig ein Mitwirkender gesucht. „Da durfte ich dann den Part des Reiters mit dem einzigen schwarzen Pferd übernehmen. Und mit schwarzer Kleidung bin ich ja von Berufs wegen vertraut“, sagt der Pfarrer mit einem Augenzwinkern. Innerhalb von drei Wochen habe er damals das Programm „reingeblockert“. Heute ginge so etwas nicht mehr so schnell. „Wer bei Männerballett nur an Tüllröckchen und Schwanensee denkt, liegt ziemlich daneben.“
 
Choreographie und Kostüme erstellt die Trainerin Erika Lell jedes Jahr neu. Der Geistliche muss wie seine etwa zehn Kollegen seinen Part jedes Jahr im Herbst neu erlernen. Wandlungsfähig ist er allemal: Sauer tanzte in den vergangenen Jahren unter anderem als Paradiesvogel, Obelix oder als Mammut über die Bretter. „Und auch wenn manche Zeitgenossen in meinem Mitwirken schon den Untergang der Kirche Gottes sehen: Ich mache keine Dinge, die sich mit der Würde des Priesteramts nicht vereinbaren lassen“, macht Sauer seine Position deutlich.
 
Das gilt auch für die Büttenreden, die er alle zwei Jahre hält. Seinen Beruf verleugnet er dabei keineswegs. Ob als sprechender Kirchturm oder als Kandidat für das Papstamt: Sauer sieht gerade in seinem Mitwirken eine Chance, die Kirche und den Glauben zu den Menschen zu bringen. Das sind nicht selten Leute, die nicht mehr einen engen Kontakt zur Kirche pflegen. „Gerade im Umfeld der Faschingssitzungen, bei den Proben oder zwischendurch passiert eine ganze Menge Seelsorge. Das liegt allein schon daran, dass die Menschen mich einmal auf anderer Ebene kennen lernen und für ein Gespräch nicht eigens ins Pfarrhaus kommen müssen.“ Unter den Ballettkollegen sei es Brauch, dass im Wechsel jeder einmal eine Kiste Bier spendiere und die Tänzer nach der Probe noch etwas die Geselligkeit pflegten.
 
Seit Mitte der 90er hat der Fasching auch einmal im Jahr seinen Platz im Gottesdienst. In der „ansonsten ganz normalen gut katholischen Sonntagsmesse.“ Sauer nutzt seine Faschingspredigt gerne, um Ereignisse aus der Politik oder auch aus dem Ort mit einem Augenzwinkern zu kommentieren. „Seit ich damit einmal angefangen habe, stehe ich in gewisser Weise unter Leistungszwang.“ Nach seinen Worten sind die Reime schnell gefunden, steht die Idee erst einmal fest.
 
Leicht von der Hand gehen dem fröhlichen Gottesmann auch die Entwürfe der Faschingsorden des FFC. Die Orden sind das Einzige, was die Aktiven vom FFC für ihr Engagement bekommen. „Und das muss dann auch etwas Schmuckes sein“, wie der Hobbydesigner aus dem Pfarrhaus hervorhebt. Als die Erdfunkstelle Fuchsstadt den Betrieb einstellte, ließ Erich Sauer die Schüsseln der Satellitenantennen kurzerhand zu den Nullern des Jahres 2000 werden. Im Orden des Jahres 2001 bildete der Kirchturm die eins. „Schon die Bibel sagt: Ihr seid zur Freude berufen.“ Das stellt der närrische Geistliche auch im Fasching 2003 wieder unter Beweis. Im Männerballett agiert er diesmal als Hirte einer Schafherde. Irgendwie kommt der Beruf halt immer wieder durch.
 
(0603/0190)